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Sintizze und Sinti sowie Romnja umd Roma

Alexander Saßmannshausen *1894 - †1943

Alexander Saßmannshausen wird am 05.06.1894 als zweites Kind von Johannes und Katherine Saßmannshausen in Saßmannshausen geboren. Über seine Kindheit in der sogenannten Kolonie in Saßmannshausen ist nichts belegt. Es gibt viele verwandtschaftliche Beziehungen nach Berleburg, so dass Alexander als junger Mann nach Berleburg zieht. Dort lernt er Elisabeth Barbara genannt Dina H. kennen. Doch die Beziehung der beiden wird vom Vater Elisabeths, Ludwig Karl H., nicht geduldet. Dieser gibt die 1912 geborene Enkeltochter Maria Paula H. zunächst in Obhut eines kinderlosen Paares in Hamm/Westfalen und nach dem Tod Ihrer Mutter zur Adoption frei. Dass sie adoptiert wurde, erfährt Paula erst anlässlich ihrer eigenen bevorstehenden Hochzeit, da sie im August 1939 einen „Ariernachweis“ für ihre Eheschließung vorlegen muss. Paula und ihr zukünftiger Mann recherchieren daraufhin in Berleburg und nehmen Kontakt zu ihrer leiblichen Familie auf. Ihre Mutter ist bereits 1918 verstorben, doch der Kontakt zum Vater Alexander und seiner Familie wird eng.

Vermehrt Repressalien ausgesetzt

Alexander Saßmannshausen wird als Soldat eingezogen und kämpft im ersten Weltkrieg. Aus dem Militärdienst entlassen, kehrt er am 07.08.1919 über Kreuztal nach Berleburg zurück. Hier lernt er seine zukünftige Ehefrau Katharine R. kennen. Das Paar heiratet am 08.04.1920 in Berleburg. Alexander arbeitet als Erdarbeiter für Berleburger Bauunternehmen. Alexander und Katharine bekommen vier Kinder:

  • Gertrud geboren am 09.061921
  • Marga Maria geboren am 12.08.1923
  • Thekla Marie geboren am 08.04.1927
  • Alexander geboren am 21.11.1936

Alexander Sassmannshausen und seine Familie sind seit der Machtübernahme 1933 vermehrt Repressalien ausgesetzt. Als Nachfahren von Sinti und Roma werden sie von den Nazis als „Z-Mischlinge“ stigmatisiert. In der Meldekarte der Familie werden hinter den Namen mit einem Rotstift die Kürzel (ZM +) eingetragen. In Berleburg ist die Verwaltung unter Bürgermeister Dr. Theodor Günther bestrebt, die Familien, die seit über 200 Jahren als Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit festem Wohnsitz, Arbeitsstellen und Familien leben, auszugrenzen und abzuschieben. Bestehende Vorurteile werden in Verordnungen festgeschrieben. Dabei geht die Berleburger Verwaltung über die Gesetze der Nationalsozialisten hinaus. In Berleburg kommt es zu Ausgangssperren, Verhören, Misshandlungen, Benutzungsverboten von Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Familie Saßmannshausen ist außerdem sogenannten „rassenhygienischen Maßnahmen“ ausgesetzt. Der Bürgermeister beantragt, dass Mutter Katharine und die Töchter Gertrud, Marga und Thekla Marie zwangssterilisiert werden. Die Kinder bekommen außerdem Schulverbot. Sehr wahrscheinlich wurde zuvor eine „rassenhygienische Untersuchung“ an ihnen durchgeführt. Der Bürgermeister hatte dafür einen Berliner „Forscher“ nach Berleburg geholt, der im Landratsamt Vermessungen an den Berleburger Sinti-Nachfahren durchführte.

Willkürlich ins Konzentrationslager deportiert

Mitten in diese Entwicklung hinein nimmt Maria 1939 Kontakt zu ihrem Großvater Karl H. und ihrem leiblichen Vater auf. Die Aufnahme in die Familie ihres Vaters ist herzlich und es folgen mehrere Besuche erst mit ihrem Ehemann und später auch mit ihrem kleinen Sohn. Am 13.12.1941 bekommt Marga eine Tochter, Ingrid. So ist Alexander Saßmannshausen dann zweifacher Großvater. Am 08.03.1943 tagt im Landratsamt in Berleburg eine Kommission, um über den Erlass Heinrich Himmlers zu beraten, wonach nicht sesshafte Sintizze und Sinti sowie Romnja und Roma in Konzentrationslager einzuweisen seien. Die Berleburger Beamten gingen über die Vorgaben des Erlasses noch hinaus und nutzten die Gelegenheit, um 139 Berleburger und Berleburgerinnen auf eine Deportationsliste zu setzen. Die Auswahl der Betroffenen ist willkürlich und geht in manchen Fällen sogar auf nachbarschaftliche Streitigkeiten zurück. Auf die Liste kommen auch Alexander Sassmannshausen und seine Berleburger Familie: er, seine Ehefrau, seine vier Kinder und seine Enkeltochter Ingrid. Seine erstgeborene Tochter Paula ist zum Deportationstermin zufällig zu Besuch bei ihrer Familie und wird aufgefordert, Berleburg schnellstmöglich zu verlassen. Am 09.03.1943, in den frühen Morgenstunden, werden die Wohnhäuser der betroffenen Familien umstellt und sie werden aufgefordert mit minimalem Reisegepäck und Proviant ihre Häuser zu verlassen. 139 Personen, unter ihnen 57 Kinder, müssen sich auf dem Firmengelände direkt neben dem Landratsamt sammeln. Unter ihnen sind auch Alexander Saßmannshausen, seine Frau Katharine, seine vier Kinder und seine Enkeltochter. Nach langem Warten werden sie am Bahnhof in Viehwagons verfrachtet. „Auf unbestimmte Zeit in ein polizeiliches Arbeitslager eingewiesen“, vermerkt die Meldebehörde auf der Meldekarte der Familie.

Katastrophale Lebensumstände

Für sie beginnt eine vier Tage dauernde qualvolle Fahrt nach Auschwitz-Birkenau. Dort werden die Berleburger in den Lagerabschnitt BIIE gebracht, der für Sintizze und Sinti sowie Romnja und Roma vorgesehen ist. Die Lebensumstände sind katastrophal. Es gibt kein sauberes Wasser und keine sanitären Anlagen. Viele Insassen werden für medizinische Versuche missbraucht – unter ihnen auch die Kinder Gertrud, Thekla und Alexander Saßmannshausen. Im Abschnitt BIIE befindet sich die Versuchsstation des gefürchteten SS-Arztes Josef Mengele. Er wird später den Tod von 25 Berleburgern beurkunden. Die meisten Gefangenen sterben nach wenigen Monaten durch Krankheiten wie Flecktyphus und Tuberkulose, durch Suizid oder die Gewalt der SS. Aus der Familie Saßmannshausen stirbt der Vater Alexander als erstes, am 22.07.1943, dann die Mutter Katharina, am 15.10.1943 – beide offiziell an Herzschwäche, was die SS häufig angab, um die wahre Todesursache zu verschleiern. Dann starben die Kinder: Alexander am 28.12.1943, Gertrud am 01.02.1944 und Thekla am 02.07.1944. Ihre Schwester Marga und deren Tochter Ingrid gelten als verschollen. In der Nacht vom 02.08.1944 auf den 03.08.1944 wurde der Abschnitt BIIE von der SS geräumt und alle Gefangenen – hauptsächlich Kinder und ältere Menschen - in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet. Zuvor hatte die SS noch arbeitsfähige junge Männer und Frauen ausgesucht und in andere Lager geschickt. So überlebten auch elf Personen aus Berleburg, die 1945 in ihre Heimat zurückkehrten.

Bildergalerie zu Alexander Saßmannshausen und seiner Familie