Mit Hammer, Holz und Säge: Was Kinder im Baulager lernen
Hämmern, Sägen, laute Kinderstimmen: Wer an diesem Dienstag am Rumilingene-Haus steht, wird sich vielleicht kurz über die ungewohnte Geräuschkulisse wundern. Oder direkt wissen: Dort oben auf dem Hügel auf der anderen Straßenseite findet das Raumländer Baulager statt. Sie ist also nicht schwer zu finden, diese eigene kleine Welt voller würfelartiger Holzhütten, Teamgeist und fleißigen Bauarbeitern. Die Gerüste der Hütten stehen bereits, an manchen sind schon die ersten Planken befestigt. „Dafür, dass dieses Jahr so viele Neue dabei sind, sind die Kinder echt schon weit – das ist richtig toll“, zeigt sich Sarah Duchardt zufrieden. Die Leiterin des Baulagers ist als Betreuerin der Stadtjugendpflege Bad Berleburg schon das siebte Mal mit dabei und führt das fünfköpfige Betreuungsteam das dritte Jahr in Folge an.
Kinder arbeiten selbstständig
Die Kinder sind voll und ganz in ihre Arbeit vertieft. Einige von ihnen sitzen oben auf dem Gerüst und sägen mit baumelnden Beinen überschüssiges Holz ab. Andere schleifen Holzplanken über das niedergetretene Gras zu ihrer Baustelle, wo wieder andere lange Holznägel hineinhämmern. Die Sieben- bis 13-Jährigen müssen sich innerhalb ihrer Gruppe selbst koordinieren: Wer holt Material? Was ist, wenn einer keine Lust mehr hat zu hämmern? Manchmal greifen die Betreuenden ein, oft regeln es die Kinder aber unter sich mit klaren Ansagen. „Wir sind hier ein Team“, schallt da schon mal über den Platz. „Wichtig ist, dass alle Konstruktionen stabil sind. Die Kinder dürfen ja dann auch aufs Dach“, erklärt Sarah Duchardt.
Viele Rückkehrer
Dass das Baulager einen besonders großen Reiz auf die Kinder und Jugendliche ausübt, zeigt sich an denen, die jedes Jahr zurückkehren. Hinten, etwas abgelegen vom Rest, steht eine schon fast fertige Hütte. Hier haben die „Großen“ ihren Bereich, die die schon geübt und teilweise das fünfte Mal mit dabei sind. Neben der Hütte steht Jonah, 16 Jahre, früher selbst begeisterter Teilnehmer und heute Teil des Betreuungsteams. „Mir gefällt einfach das Bauen mit Holz. Ich arbeite auch zu Hause viel damit“, erzählt Jonah und fügt noch lachend hinzu: „Und natürlich ist auch das Essen hier super.“
Das Dach als Lieblingsplatz
Inzwischen ist das Finale des mehrtägigen Baulagers angebrochen. Der Fortschritt ist deutlich erkennbar: Aus den nackten Holzgerüsten haben die Kinder solide Hütten gezaubert. Im Prinzip einfache Konstrukte, die aber alles sein können: Kaufmannsladen, eine Bar oder ein exklusiver Club, zu dem nur ausgewählte Gäste Zutritt erhalten. Hier und da sind die Wände noch unvollständig. Liam, acht Jahre, steht auf der selbst zusammengezimmerten Holzleiter und nagelt gerade ein Brett ans Holzgerüst. Er unterbricht seine Arbeit und fragt neugierig: „Sind die Bilder für die Zeitung?“ Über die Frage, was ihm am Hüttenbau am meisten Spaß macht, muss er nicht lange nachdenken. „Ich finde es am besten auf dem Dach der Hütte. Und guck mal das Vordach, das hat sonst niemand. Da ist es richtig cool drauf zu sitzen.“
Nägel gegen Eistee tauschen
Dario, ebenfalls acht Jahre, kommt hinzu. „Ich war eben in der Bar und hab Nägel gegen Eistee getauscht“, erzählt er fröhlich. Mit „Bar“ meint er die Hütte nebenan. Sie ist mit einem schmalen Tisch ausgestattet und ist nicht die einzige Bar. Konkurrenz gibt es zum Beispiel von der Gruppe um Emilie, neun Jahre alt und eines der wenigen Mädchen im Baulager. Um in ihre Hütte eintreten zu dürfen, muss man Namen und den richtigen Code nennen. Erst dann schieben die Kinder den großen Holzriegel, der den Eingang versperrt, zur Seite. Drinnen hängen die Jacken ordentlich an einer Garderobe aus Nägeln und rechts vom Eingang baumeln kleine Metallflaschen von der Wand. „Siehst du, da sind unsere Getränke. Und hier ist die Tanzfläche“, erzählt Emilie und springt auf zwei Holzpaletten, die links auf dem Boden liegen.
Verdiente Mittagspause
Um halb eins sind die Kinder schon seit mehr als drei Stunden bei der Arbeit. „Achtung, es wird einmal laut“, warnt Sarah Duchardt kurz vor und ruft dann mit kräftiger Stimme die Kinder zusammen. „Wir gehen zum Mittagessen!“ Dr. Dirk Spornhauer, Gemeindepfarrer in Raumland, bekocht jedes Jahr die fleißigen Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter. Von Lasagne über Bolognese bis hin zu Hühnerfrikassee: Jeder hier lobt sein Essen. Auch in der Mittagspause sitzen die Kinder in ihren Gruppen zusammen. Es ist laut in dem großen Raum mit den weißen Tischen. Schaut man links aus dem Fenster, fällt der Blick ins Grüne. Rechts sieht man den unteren Teil der evangelischen Kirche Raumland. Dirk Spornhauer kommt zur Tür herein, stellt sich vorne zwischen die Tische. Ein Blick in die Runde und es wird ganz still. Ein kurzes Innehalten, ein kurzes Tischgebet und schon geht es weiter mit dem Trubel. „Solche erlebnispädagogischen Aktionen wie das Baulager, bei denen die Kinder im Team arbeiten, kooperieren und sich aufeinander einstellen müssen, sind vor allem nach Corona wichtig. Das fehlte ja alles während des Lockdowns völlig“, erklärt der Gemeindepfarrer beim Essen, nachdem er gemeinsam mit den Betreuenden Lasagne und Salat auf die Teller der Kinder verteilt hat.
Was ist, wenn es regnet?
Es fängt an zu regnen. Durch die gekippten Fenster zieht kühle Luft herein und vermischt sich mit der Wärme. „Was machen wir, wenn es weiter so kräftig regnet?“, fragt Jonah. „Egal, wir gehen wieder hoch zum Lager“, ist Sarah Duchardt entschlossen. Die Erfahrungen aus den vorausgegangenen Lagern geben ihr recht: Die Kinder stört der Regen beim Arbeiten herzlich wenig. Außerdem zeigt er auch ganz gut, wo das Dach noch ausgebessert werden muss. Bei der Rückkehr zum Lager entfacht ein kleiner Wettbewerb: Wessen Dach ist dicht genug und wessen Hütte innen trocken geblieben? Ausgerechnet die Älteren müssen nachbessern.
Kinder arbeiten zusammen
Es geht weiter im Takt. Der Regen hat aufgehört und zwischen den Wolken blitzt ein wenig blauer Himmel hervor. Mittlerweile steht ein kleines Dorf auf der Wiese. Vor manchen Hütten stehen Bänke, neben einem Eingang hängt ein Schild mit der Aufschrift „Home“. Aus Holzpaletten haben die Kinder Sofas und Sessel gebaut und sich damit eine Dachterrasse eingerichtet. „Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Kinder zusammenraffen und sich selbst strukturieren“, findet Jaques aus dem Betreuungsteam. Er hilft gerade einer Gruppe beim Befestigen der Planken. „Eigentlich schon erstaunlich, wie hier alles fast von selbst läuft“, stimmt Sarah ihm zu. Was passiert mit den fertigen Hütten, wenn das Baulager vorbei ist? „Manche Eltern kommen mit dem Hänger und holen die Hütten ab. Alle anderen werden abgerissen und als Brennholz verwendet“, erklärt die Leiterin des Lagers. Aber erstmal gibt es das große Abschlussfest, bevor das Bauen im nächsten Jahr wieder von vorne beginnt.